Geneigter Leser,
erfahren Sie hier Informatives, Interessantes, vielleicht sogar Neues
zum historischen und/oder zum literarischen Faust auf der einen Seite; auf der
anderen Seite einen kleinen Einblick in die Faust-Interpretation,
die wir verfasst haben. Aber vielleicht fragen Sie sich gerade: Wozu ein weiterer Faust!? Ja, es gibt viele, sehr viele Fassungen dieses Stoffes. Jeder Autor hat seine
eigenen Wege, aber auch seine ganz persönlichen Ziele und Vorstellungen, was damit
zu erreichen er gedachte. Mit unserem Faust verfolgen wir drei Ziele: Erstens wollen
wir – ganz schnöde – unterhalten, nicht weniger als das. Dabei möchten wir
jedoch eine intelligente Klientel ansprechen. Zweitens
wollen wir einen (berechtigten oder unberechtigten) Anspruch geltend machen,
unserer Fantasie freien Lauf zu lassen. Wir wollen zeigen, dass jeder eine
Geschichte zu erzählen, Wünsche zur Erfüllung hat, dass in jedem von uns Faust
und/oder Teufel stecken kann; außerdem, dass Faust ein ungeahntes Potential an
Möglichkeiten für jeden von uns birgt. Diese Möglichkeiten, die sich aus dem Faust-Stoff
ergäben, dünkten so faszinierend, so voll von Zuversicht; wir wollten unsere
eigene Faust-Geschichte verfassen. Allein wenn der Name Faust fällt, denken die meisten
(verdrießlich oder freudvoll) unweigerlich an Goethe. Dabei war dieser bei
weitem nicht der Erste und schon gar nicht der Einzige, der an dieser Figur
sein Vergnügen hatte. Zugegeben: Goethes Faust ist wahrscheinlich das größte
literarische Werk, das je geschaffen wurde, wenigstens aber ein riesiges Stück
Weltliteratur! Ohnehin steht deshalb jeder Versuch einer Neuinterpretation im
Schatten dessen, der Segen und Fluch gleichermaßen ist, denn ohne unseren
größten Dichterfürsten wäre das Thema gewiss nicht mehr so präsent in allen
Kunstformen. Dabei gäbe es unter den etwa zwanzigtausend Interpretationen manch
kostbare Perle zu entdecken. Und drittens
wollen wir zeigen, dass unsere Sprache, die Sprache der Dichter und Denker, die
Sprache der Weltliteratur, dass unser Deutsch eine lebendige Sprache ist, eine
vielfältige, wohlklingende Sprache, eine Sprache mit Niveau und Anspruch, eine
wundervolle, würdevolle Sprache, die mehr ist als ihr Ruf, die mehr ist als
Schulhofdeutsch. Also, Faust ist weit mehr als nur Goethes Tragödie. Immer
wieder wird es Menschen geben, die fasziniert sind von der historischen Person;
die gefangen genommen werden von der literarischen Figur; die angeregt werden
von den Möglichkeiten des Fauststoffes. – So, wie wir. Wir, zwei Poeten, die sich seit nunmehr drei
Jahrzehnten und mehr der Figur Faust verbunden fühlen, möchten Ihre – des Lesers
Neugierde stimulieren: Wir möchten Sie einladen, sich mit allen Sinnen unseren
Ausführungen mit Bedacht zu öffnen – ein Theaterstück, welches sich in der
heutigen Zeit von anderem, Neugeschriebenem gewaltig hervorhebt, in dem es
durch seine dichterische Ausdrucksstärke und die Vielfalt der Bilder aufgrund
der Verse und Reime jedem ins Gedächtnis brennt; das es aber auch jederzeit
vermag, sanft die Sinne zu liebkosen. Wir möchten die Art und Weise, wie wir
Faust sehen, Ihnen, lieber Leser, näher bringen, denn heute wird ehrliche
Poesie und mitreißende Lyrik gern übersehen und ebenso gern unterschätzt – ja,
belächelt. Uns wurde in diesem Zusammenhang mithin ein Text
unterstellt, der zuweilen pathetisch wirkt. Wir hoffen dennoch, dass es uns
gelungen ist, unserem eigenen Anspruch gerecht zu werden.
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